Tut um Gottes willen etwas Tapferes

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Schriftzug in der Sakristei des Grossmünsters.

«Tut um Gottes willen etwas Tapferes.»

Dieser Spruch stammt von Ulrich Zwingli aus seiner Zeit, in der Zürich und die neue reformierte Kirche in starker Bedrängnis waren. Nicht nur theologische, sondern auch militärische Feinde standen vor den Toren Zürichs. Es war damals ein enormer Mut nötig, um etwas zu verändern, und die Zürcher konnten einen mutigen Zuspruch mehr als gebrauchen. 

Für Aristoteles gehört neben der Gerechtigkeit, der Besonnenheit und der Weisheit auch die Tapferkeit zur reifen Person. Dass es Mut für Neues benötigt, ist auch heute noch so. Die Mönchaltorfer und Oetwiler haben auch Mut bewiesen, indem sie im vergangenen November an der Urne «Ja» zum Zusammenschluss der beiden Kirchgemeinden gesagt haben. Auch wenn es viele gute Gründe gibt, die für den Zusammenschluss sprechen, so ist er doch auch ein Schritt ins Unbekannte.

Aber nicht nur die neue gemeinsame kirchliche Zukunft von Mönchaltorf und Oetwil erfordert Mut, sondern auch die Herausforderungen, die wir als Gesamtgesellschaft zu meistern haben. Insbesondere die Digitalisierung stellt uns vor ein Unterfangen, das in manchen Aspekten noch gänzlich unbekannt ist. Zwar gibt es Digitalisierung in unserem Alltag schon seit über 50 Jahren, aber dass wir auf einmal eine hohe Erwerbslosigkeit unter Studienabgängern haben, ist neu. Wir können also eine gute Portion Tapferkeit gut gebrauchen.

Doch was zeichnet den Mut oder die Tapferkeit aus, die uns Herausforderungen annehmen lässt? Ich erinnere mich an einen Jugendlichen aus meiner Kindheit, der mit dem Rollbrett barfuss eine steile Strasse hinunterfuhr. Als er sein Vorhaben ankündigte, fragten wir Zuschauer uns, ob das mutig oder dumm sei. Um es vorwegzunehmen: Es war eine dumme Idee. Mut ist eben mehr, als sich einfach blind in Neues zu stürzen.

Für Unternehmen, die gezwungen sind, innovativ zu sein, ist der Mut zu Neuem eine Frage des Überlebens. Mut ist aber keine Garantie für Erfolg. Was Mut und Tapferkeit auszeichnet, ist, dass das Risiko des Scheiterns wesentlich dazugehört. Es muss eine Bereitschaft bestehen, Fehler in Kauf zu nehmen.

Was für Unternehmen selbstverständlich sein sollte, gilt leider nur bedingt für Glaubensgemeinschaften. Gerade weil sich die Kirche auf eine Tradition bezieht, tut sie sich mit neuen Wegen oft schwer. Dabei haben gerade mutige Männer und Frauen in der Kirchengeschichte dazu beigetragen, dass es das Christentum überhaupt noch gibt. Die Kirche ist gewachsen, weil Frauen und Männer immer wieder auf tapfere Art und Weise für ihre Gottesbeziehung eingestanden sind. Alles, was wir als Tradition kennen, sei dies im kirchlichen Rahmen oder in unserer Kultur allgemein, war einmal im Verlauf der Geschichte etwas Innovatives, das ganz neu daher kam.

Das sollte uns daran erinnern, dass die Notwendigkeit von Mut ein wesentlicher Bestandteil einer lebendigen Gottesbeziehung ist. Diesen Link machte auch Zwingli. Indem er den Ausspruch «Um Gottes willen» tätigt, stellt er eine Verbindung zwischen Mut und Gottesbeziehung her. So gesehen können wir die Herausforderungen, die wir als Kirche, aber auch als Gesellschaft, haben, immer auch als Weiterentwicklung für unsere Gottesbeziehung betrachten.

Dazu gehört eine Fehlerkultur, die es erlaubt, Altes, aber auch Neues, das nicht funktioniert, hinter sich zu lassen und anderes auszuprobieren. So wünsche ich uns, dass wir im neuen Jahr, sowohl als Kirche als auch privat, uns auf unsere Tapferkeit besinnen können, um Neues zu wagen und Bewährtes zu verteidigen. Denn die Tapferkeit ist Teil unserer Tradition, die es immer wieder möglich machte, die individuelle Gottesbeziehung zu erneuern.

Pfarrer Stephan Krauer

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Reformierte Kirchgemeinde Mönchaltorf
Chilenrain 11
8618 Oetwil am See
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