Mehr als genug – Leben in Fülle statt im Zuviel

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Der Schwan lebt in der Fülle des Naturschutzgebietes am Obersee – und wir?

Die Schöpfungszeit, die weltweit von vielen Kirchen zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober gefeiert wird, lädt uns jedes Jahr neu ein, dankbar und achtsam auf die Schöpfung zu blicken. Sie erinnert uns daran, dass die Erde ein Geschenk ist – reich, vielfältig, voller Wunder. Und doch erleben wir in unserer Welt täglich die schmerzhaften Zeichen des Gegenteils: Ressourcen werden ausgebeutet, Klimaveränderungen bedrohen Lebensgrundlagen, Arten sterben aus. Viele Menschen leben im Überfluss – und zugleich in innerer Leere. Andere kämpfen ums nackte Überleben.

Die diesjährige Kampagne steht unter dem Motto «Mehr als genug». Sie führt uns zu einer unbequemen, aber befreienden Einsicht: Wir haben nicht zu wenig, sondern zu viel. Unser Planet leidet nicht an Knappheit, sondern an Verschwendung. Unser Leben leidet nicht an Mangel, sondern an der Illusion, immer mehr haben zu müssen, um glücklich zu sein.

«Mehr als genug» bedeutet deshalb nicht, dass wir uns mit zu wenig zufriedengeben sollen. Es bedeutet vielmehr, neu zu entdecken, dass Gottes Schöpfung in ihrer Fülle genügt. Dass ein einfacheres Leben nicht ­ärmer, sondern reicher macht. Dass wir frei werden, wenn wir Ballast loslassen.

Hier berührt sich die spirituelle Botschaft der Schöpfungszeit mit einem modernen Lebensstil, den man Essentialismus nennen könnte. Essentialismus fragt: Was ist wirklich wesentlich? Statt unser Leben mit Dingen, Terminen und Konsum zu überladen, geht es darum, Raum zu schaffen für das, was trägt: Beziehungen, Stille, Glaube, Natur. Wer sich auf das Wesentliche konzentriert, entdeckt, dass vieles Überflüssige uns nicht wirklich frei macht, sondern bindet.

Die Umweltbewegung zeigt uns eindringlich: Unser «Zuviel» ist nicht nur ein persönliches Problem, sondern eine globale Herausforderung. Immer mehr Ressourcenverbrauch bedeutet mehr CO2, mehr Abfall, mehr Druck auf die Natur. Wir leben, als hätten wir mehrere Planeten zur Verfügung. Doch wir haben nur diese eine Erde – und sie ist uns anvertraut, nicht zur grenzenlosen Ausbeutung, sondern zur treuen Bewahrung.

«Mehr als genug» ruft uns daher in eine neue Haltung: Dankbarkeit statt Gier, Achtsamkeit statt Gleichgültigkeit, Teilen statt Horten. Wir sind eingeladen, wieder Mass zu finden – nicht aus Zwang, sondern aus Freude an der Fülle, die bereits da ist. Vielleicht entdecken wir dann, dass weniger Dinge mehr Freiheit bedeuten. Weniger Konsum mehr Gemeinschaft schafft. Weniger Haben mehr Sein ermöglicht.

Die Schöpfungszeit schenkt uns die Gelegenheit, dies einzuüben. Im Gebet, in Gottesdiensten, in kleinen Schritten des Alltags. Vielleicht beim bewussten Einkauf regionaler Lebensmittel, beim Teilen statt Besitzen, beim Staunen über den Sternenhimmel, beim Schweigen im Wald.

Christlicher Glaube bekennt: Gott hat die Welt «sehr gut» geschaffen (Genesis 1). Sie reicht für alle – wenn wir lernen, gerecht zu teilen und massvoll zu leben. «Mehr als genug» ist deshalb keine Verzichtsparole. Es ist eine Einladung zu einem Leben in Fülle, das nicht auf Kosten anderer geht, sondern alle teilhaben lässt an dem Reichtum der Schöpfung.

Pfarrerin Cindy Gehrig

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Reformierte Kirchgemeinde Mönchaltorf
Chilenrain 11
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